In manchen Dingen bin ich ja sehr deutsch. Wenn ich um 14 Uhr irgendwo sein soll, dann bin ich auch um Punkt 13:30 Uhr vor Ort. Wer weiß denn schließlich, was unterwegs so alles passieren kann. Da muss man schon für Staus, Bahnverspätungen oder plötzliche Schneestürme Zeit einplanen. Manchmal lohnt sich meine Zeitplanung, meist stehe ich aber eine Weile dumm rum. Dafür bin ich dann auf jeden Fall pünktlich. So zumindest zu Hause. Auf Sardinien war ich mit diesem Zeitmanagement jedoch nicht zu früh dran. Ich war viel, viel zu früh dran.
Da wir mit unseren Lieblingsnachbarn in den Urlaub gestartet sind, hatten meine Frau und ich den Luxus, auch mal ohne Kind die Insel zu entdecken (Wir haben die beiden mitgenommen, weil wir sie wirklich mögen. Nicht nur als Babysitter. Ehrlich). Manche Sehenswürdigkeiten sind mit einem Einjährigen nämlich nicht so gut erreichbar. So zum Beispiel auch die Grotta di Nettuno im Westen nahe Alghero. Laut Reiseführer ist diese Tropfsteinhöhle eine der spektakulärsten auf Sardinien. Sie liegt nur einen Meter über dem Meeresspiegel und ist etwa 4 km lang. Man kann zwar nur einen kleinen Teil davon besichtigen, aber [Spoiler!] der ist absolut sehenswert!
Der Reiseführer informierte uns auch darüber, dass es ab 9 Uhr stündlich eine Führung gibt, die jeweils direkt an der Grotte beginnt. Reisende können Neptuns Grotte auf zwei Wegen erreichen: entweder mit dem Boot oder über eine eine steile, 654-Stufen-lange Treppe, der Escala del Cabirol. Da wir furchtlose Abenteurer sind, entscheide wir uns natürlich für die Treppe. Okay, ein bisschen auch, weil die gratis ist. Schon bei dem Gedanken daran, in der Mittagshitze die Stufen wieder hinaufzuklettern, fangen wir an zu schwitzen, also wollen wir direkt die erste Tour um 9 Uhr nehmen. Wann stehen wir nun also am Parkplatz beim Treppeneingang bereit? Richtig, um 8:30 Uhr. Wer ist noch da? Richtig, niemand. Auch die Treppe hat um die Uhrzeit noch keine Lust auf uns, die ist abgesperrt.
Also warten wir. Eine geduldig (meine Frau), eine immer nervöser werdend (ich). Irgendwann ist es kurz vor 9 Uhr und die Treppe ist immer noch abgeschlossen. Laut Reiseführer braucht man für den Abstieg zur Höhle ca. 20 Minuten. Ich schreibe also erstmal den Babysittern, dass wir wohl erst die 10-Uhr-Tour schaffen. Immerhin stehen nun schon ein paar mehr Leute verwirrt mit uns herum. Um fünf vor 9 schlendern dann zwei Sarden mit einem Schlüssel gemütlich über den Parkplatz, öffnen wortlos das Tor zur Treppe und steigen hinab. Da wir sonst nicht wissen was zu tun ist, laufen meine Frau, ich und etwa zehn weitere Wartende einfach mal hinterher. Auf der Treppe bin ich dann erstmal nur noch semi-nervös, da muss ich nämlich die Kamera auspacken. Die Aussicht – und die Treppe an sich – sind atemberaubend.
Im Höhleneingang angekommen wird direkt klar, dass wir hier noch zu überhaupt nichts zu spät sind. Während wir hinter einer Absperrung warten, bauen die Schlüsselträger erst einmal in Ruhe auf. Der Mann holte hinter einem großen Stein eine Holzbox (ah, die Kasse!) hervor und stellte sie auf, die Frau hängt überall Schilder auf (Rauchen verboten!). Dann werden Lichter angeknipst und Stühle aufgestellt. Alles gemächlich und entspannt. Ich bin nicht entspannt. Es ist 9:15 Uhr. Glücklicherweise ist auch der Höhleneingang schon sehr hübsch und so mache ich weiter Fotos.
Kurze Zeit später wird dann endlich die Absperrung geöffnet und wir dürfen zur Kasse vorrücken. Natürlich stehen meine Frau und ich ganz vorne. Ich reiche dem Mann an der Kasse einen 50-Euro-Schein (Preis pro Person: 13 Euro). „Does anyone have the correct amount of money?“ ruft da der Herr erstmal der Schlange wartender Menschen zu. Es dauert etwas, bis genug Wechselgeld zusammengesammelt ist, dann dürfen auch wir zahlen. Und wenig später geht die Führung auch schon los. Um 9:25 Uhr. Ich finde mich langsam mit der italienischen Zeitplanung ab.
Die Frau, die wir bereits vom Aufsperren der Treppentür und dem Aufhängen der Schilder kennen, führt uns durch die Höhle und gibt uns alle paar Meter Infos zu einzelnen Aspekten der Höhle. Sie erklärt erst auf Italienisch und im Anschluss auf Englisch. Wir laufen an einem Salzsee vorbei, bestaunen riesige und winzigkleine Stalagmiten und Stalaktiten und erfahren, dass die Höhle immer um die 20 Grad hat, weil sie inzwischen trocken ist. Das bedeutet auch, dass sie nicht mehr weiter wächst. Ich war schon einmal in einer Tropfsteinhöhle, diese hier ist aber nochmal deutlich beeindruckender! Auch wenn nur wenige Wege für Touristen zugänglich sind, bekommt man einen guten Eindruck von Neptuns Grotte. Aber seht selbst:
Die Führung durch die Grotta di Nettuno dauert nur etwa 30 Minuten. Ob dafür 13 Euro gerechtfertigt sind ist etwas fragwürdig, ich fands allerdings so schön dort unten, dass ich keinen Euro bereue. Als wir wieder in den Höhleneingang zurückkommen, sind wir plötzlich trotz Warterei sehr dankbar, dass wir so früh gekommen sind. Mindestens zwanzig Leute stehen bereits für die 10-Uhr-Führung bereit. Und da habe ich die Schiffsladung Touris, die kurz davor ist anzulegen, noch nicht mitgezählt. Wir verschwinden lieber schnell und machen uns an den als beschwerlich angekündigten Aufstieg. 40 Minuten soll er dauern. Nach 17 Minuten sind wir wieder am Parkplatz. Trotz Foto- und Trinkstops. Anstrengend ist die Treppe, aber absolut machbar. Vor allem, wenn es noch nicht zu heiß ist. Und wenn man kein 13-Kilo-Kind mitschleppt.
Auch wenn der Eintritt mit 13 Euro etwas überteuert ist, ist die Grotta die Nettuno definitiv einen Besuch wert. Die Lage der Höhle am Capo Caccia ist ebenso schön wie die Höhle selbst. Wenn ihr euch für die 9-Uhr-Führung entscheidet, habt ihr die besten Chancen, Neptuns Grotte in Ruhe zu genießen. Dann sind nämlich nur die Leute da, die früh aufstehen und über die Treppe kommen. Boote legen scheinbar erst später an. Die Escala del Cabirol lohnt sich in jedem Fall, wenn man durchschnittlich fit ist und nicht unter drastischer Höhenangst leidet (etwas Höhenangst ist ok, meine Frau kam gut klar). Der Weg zur Höhle ist ebenso pittoresk wie die Höhle selbst. Und das wichtigste: Ruhig bleiben, auch wenn gegen 9 Uhr immer noch nichts passiert ist. An der Grotta di Nettuno geht es sehr gemählich voran. Aber schließlich ist man ja auch im Urlaub.
Solche Grotten finde ich super interessant und besuche sie selber auch sehr gerne. Dass man früh kommen soll, um den anderen Touristen zu entgehen, gilt aber wohl nicht nur für die Grotta di Nettuno, sondern für alle möglichen Sehenswürdigkeiten. Bin ich jedenfalls bisher auch immer super mit gefahren (Stichwort Kolosseum). 🙂 Toller Bericht und wunderschöne Fotos!
Herzlich,
Anna